Vom Geheimnis des heiligen Kreuzes
Auf dem linken Seitenaltar befinden sich in einer Stele zwei kleine Holzsplitter, die von der Kreuzreliquie aus dem Vatikan stammen. In einer Urkunde, die sich im Besitz der Gemeinde befindet, wird die Echtheit dieser Herkunft nachgewiesen. |
Eine Kirche, die den Namen
Heilig Kreuz trägt, ist in besonderer Weise mit den
neutestamentlichen Glaubensaussagen über das Kreuz Jesu
Christi verbunden.
Die Verehrung des Heiligen Kreuzes gehört zu den
Höhepunkten in der Liturgie des Jahresfestkreises. Drei Aussagen von Theologen unserer Tage über das Kreuz
sollen diese Verpflichtungen verdeutlichen.
1. nach Hermann-Josef Venetz: So fing es mit der Kirche an
"Der Evangelist Markus
berichtet, dass Jesus mit dem 22. Psalm auf den Lippen
gestorben sei, mit jenem Psalm, der mit dem Aufschrei
beginnt, Gott habe den Beter verlassen.
Das Schreckliche am Tode Jesu
sind nicht seine fürchterlichen Leiden, die uns die
Kreuzwege immer wieder vor Augen führen. Das
Schreckliche des Todes Jesu besteht im Tod Jesu selbst:
Derjenige, der sich ganz auf Gott verließ, ist von Gott
verlassen worden. Jesus hat die Welt nicht anders
erfahren, als was Millionen von Menschen vor und nach ihm
erfahren müssen: dass Gott in dieser Welt nicht zu
"haben" ist, dass die erfahrbare Wirklichkeit
dieser Welt die der Gottlosigkeit ist.
Der Glaube an die Auferstehung
Jesu vermindert die Bedeutung des Todes nicht. Im
Gegenteil. Erst im Glauben an die Auferstehung können
wir die Bedeutung des Todes richtig erahnen. Die Kirche
bekennt Jesus Christus als den Gekreuzigten. Sie bekennt:
gerade im gekreuzigten Messias Jesus hat Gott seine
Herrschaft angetreten, und Gott ist nirgendwo anders zu
suchen und zu finden als am Kreuz, in der
Gottverlassenheit. Im Tode Jesu hat sich Gott selbst
unwiderruflich an die Welt verschenkt. Es gibt keinen
Abgrund, keinen Fluch, keinen Schmerz, keine Krankheit,
kein Elend und keinen Tod mehr, in welchem Gott nicht
mehr mit seiner ganzen liebenden Leidenschaftlichkeit
anwesend wäre.
Man kann den Glauben an den
Kreuzestod Jesu und an seine Auferstehung auch so
formulieren, wie es Dorothee Sölle einmal ungefähr mit
diesen Worten tut: Der Tod ist immer schon hinter uns;
vor uns ist die Liebe."
2. aus Jürgen Moltmann: Leidensgeschichte
Ruf zur Nachfolge
"Es gibt keine Nachfolge
Jesu im Leiden ohne das bekennende Ja zum leidenden,
verworfenen und gekreuzigten Menschensohn.
Es gibt kein Bekenntnis zu
diesem Menschensohn ohne die Selbstverleugnung und die
Hingabe an das Leiden, das die Welt erlöst.
Wer das Leiden des Menschensohnes versteht, der hat Gott verstanden.
Wer sein Kreuz auf sich nimmt und ihm folgt, der wird das Leben finden."
3. Gertrud Sartory zur Verehrung des Kreuzes
über dem Altar ist ein Zeichen des Sieges: Christus Sieger Christus König Christus Herr in Ewigkeit |
Gertrud Sartory erzählt von
einer Begegnung mit einem befreundeten Pfarrer. Er stellt
ihr die Frage, an welchem Thema sie zur Zeit arbeite.
" Am Thema Kreuz! Weil er
so überrascht aufschaute, ergänzte ich: Ich verstehe
nämlich gar nicht, wieso wir eigentlich durch das Kreuz
erlöst sind! Nun war er ganz perplex aber nach kurzem
Nachdenken sagte er, geradezu erstaunt: Das verstehe ich
auch gar nicht. Und ich darauf: Ich habe aber ein solches
Bedürfnis, es irgendwie zu verstehen und deshalb
arbeite ich daran.
Einige Tage später war ich
unterwegs an der Isar. Mir ging das Gespräch noch einmal
durch den Sinn. Und auf einmal wusste ich, dass das nicht
stimmte, was ich gesagt hatte. Dass ich, genau
betrachtet, für mich selbst gar nicht das Bedürfnis
habe, das Kreuz zu verstehen. Dass es mir genügt, dabei
zu sein, wenn es verehrt wird am dritten Fastensonntag
oder am Fest Kreuzerhöhung oder bei der Adoratio crucis
am Karfreitag und dass ich über die Gesänge
hinaus, die ich hören darf, nichts weiteres brauche.
Seht das Holz des Kreuzes, an
dem das Heil der Welt gehangen. Kommt, lasst uns anbeten.
Dein Kreuz, o Herr, verehren
wir, und deine heilige Auferstehung preisen und rühmen
wir. Denn siehe, durch das Holz des Kreuzes kam Freude in
die ganze Welt.
Durch das Holz des Kreuzes?
Durch das, was sich am Kreuz ereignet hat! Der
lebensschaffende Tod!"